Kritiken und Rezensionen
Mayer Festival Berlin, Akademie für alte Musik.
Eine Zusammenschau der Berliner Pressereaktionen von Reinhard Gagel
Hochwirksam gegen den Novemberblues
Presseschau der Rezensionen des Emilie Mayer Festivals der Akademie für Alte Musik vom 14.10 bis 1.11.26 im Boulez Saal, Berlin.
Der og. Titel (aus der TAZ) gibt die Richtung vor, überaus positiv bis geradezu euphorisch wurde die Präsentation aller erhaltenen Orchesterwerke von Emilie Mayer durch die Akademie für Alte Musik von allen Rezenten namhafter und weniger bekannter Zeitungen aufgenommen.
Bereits nach dem ersten von drei Konzerten titelte Peter Uehling in der Berliner Zeitung am 27.10.25: die größte Heldentat der Konzertsaison.Er stellt fest: „Emilie Mayer ist die größte deutsche Komponistin des 19.Jahrhunderts. Anders als die reisende Virtuosin Clara Schumann, die für den eigenen Bedarf gelegentlich komponierte, oder die geniale begabte Fanny Mendelssohn, die ihre Ambitionen durch die Unterwerfung unter die patriarchalen Regeln verkürzte, wollte Mayer Komponistin sein. Sie heiratete nicht“. In diesem Ton geht es weiter: „Als Symphoniker war Loewe ein gefälliger Unterhalter: Seine Schülerin tritt da schon viel herausfordernder auf. Um nichts weniger scheint es zu gehen als den Weg von der Klassik zur Romantik“. Mayer ist gewissermaßen das “missing link“ in der Jahrhundertmitte, für die der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus „die Krise der Sinfonie“ konstatiert hatte, einfach weil die Männer in der Zeit nichts zustande brachten und er - natürlich - die Frauen ignorierte (bzw. einfach nicht kannte).
Uehling jedoch lässt sich mit offenen Ohren und der Musik genau zuhörend auf die Komponistin ein. Die Ungeheuerlichkeit, dass eine junge Frau mit gleich zwei Sinfonien (und nicht etwa mit Liedern oder Klaviermusik) beginnt, kann man anerkennend konstatieren; und dass die beiden Sinfonien auch einen besonderen kompositorischen Gehalt haben, fällt sofort ins Ohr. „Zum Beginn einer jener vielen chromatischen Modulationen, die dieses Werk prägen, ist plötzlich für einen Moment nur ein Klang da: Das ist nun wirklich ein Zug romantischen Denkens“, und danach eine an Mozart erinnernde Kadenz. „Mayers Musik ist von derlei Inkonsistenzen voll, aber das macht sie ungemein lebendig und abwechslungsreich. Selten hat man auch nur die geringste Ahnung, wies weitergeht“. Auch die zweite Sinfonie in e-Moll beginnt „geradezu ungeheuerlich“, über einem Basston e eineinhalb Oktaven „aufwärts ächzende Korde“, die nirgendwo hinzuführen scheinen. „Derlei harmonische Labyrinthe hat nicht einmal Beethoven gewagt“.
Uehlings genaues Hören findet auch kritische Punkte, er konstatiert (nicht bemängelt) handwerkliche Unschärfen („die Scherzi sind zu lang“) und stellt die Ouvertüre d-moll, die dann in Berlin entstanden ist, als Ergebnis weiterer Studien beim Musikwissenschaftler Adolf Bernhard Marx vor: „ein Werk von irrlichtender Unberechenbarkeit und ungewöhnlicher Intensität, dennoch getragen von einem Gespür für organische Zusammenhänge“.
„Von wegen ´weiblicher Beethoven´ “ titelt Kultur extra, das online Magazin am 30.10.25. Die Konzertkritik von Andre Sokolowski geht zunächst darauf ein, wie bekannt die Komponistin wohl gewesen ist zu Lebzeiten und wie unbekannt heute. „Sie ..investierte Zeit und Kraft, ihr doch ziemlich umfangreiches Oeuvre selber zu „vermarkten“ …ein Kraftakt sondergleichen, um dem schier unausrottbaren gesellschaftspolitischen Chauvinismus in der damaligen Zeit die Stirn zu bieten“. Der Rezensent stellt fest, dass sich an „macholastiger Hybris“ bis heute ja nur wenig geändert habe, und auch die Zahl aktueller großer Komponistinnen „übersichtlich“ sei. In diesen Zusammenhang gliedert er das Festival ein: „die Akademie für Alte Musik Berlin wollte aktuell mit ihrem Fest auf jene Emilie verdeutlicht hingewiesen haben“. Der Rezensent freut sich über die Militaire- Sinfonie und zitiert aus dem Programmheft-Text des Musikdramaturgen der AKAMUS Linus Bickmann: „ Bei der Uraufführung der Sinfonie waren die liberalen Geister allerdings längst zurückgedrängt…bei allem Glanz und Gloria verzichtet der spielfreudige (4.) Satz auf martialische Rhetorik.“
Die Berliner Morgenpost vom 30.10.25 titelt: „Festival für eine wiederentdeckte Komponistin“. Marleen Hofmann beschreibt nun das zweite Konzert, indem sie auf die Aufführungsumstände der Abende eingeht: „Da das bis zu 48-köpfige Ensemble von Konzertmeister Bernhard Forck vom Pult aus geleitet wurde, standen die Orchestermitglieder vor ihren Pulten. Der Blüthnerflügel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gespielt von Alexander Melnikov war ganz weit ins Orchester hineingeschoben, sodass ihn die Streicher im Rücken stehend wie behütend umringten, während die Holzbläser gegenüber ganz außen hinter den Celli – in der Mitte Blechbläser und Schlagwerk – als Dialogpartner fungierten. Kammermusik im Großen par excellence mit gut genutzter Bewegungsfreiheit und einwandfreier Kommunikation untereinander.“
Dadurch gelingt der Akademie ein tiefes Eintauchen in die Klangwelt Mayers, sie „kosteten Mayers musikalisch gesetzten Pausen und die Spannungsbögen förmlich aus“. Das Programm bot insgesamt hörenswerte Werke: „die Ouvertüre majestätisch, feierlich entsprechend der Vortragsbezeichnung maestoso, das zu Mayers Lebzeiten vermutlich nie aufgeführte Konzert für Klavier und Orchester und die Symphonie Nr. 3 noch mal facettenreicher. Der Klavierpart ist äußerst virtuos gestaltet mit vielen Läufen und Verzierungen sowie teils mit frei fantasierend wirkenden Solopassagen. Insgesamt haben Mayers Werke eine klare klassische Form und einen vielfältigen Ausdruck durch das Spiel mit der gesamten dynamischen Bandbreite, wechselnden Tempi, einem großen Ambitus und der Wechselwirkung zwischen Klangfarben und thematischer Variation. Gleichzeitig gibt es immer wieder verspielte, teils verträumte, teils tänzerische, durchaus auch. rhythmisch interessante Passagen voller Leichtigkeit.“
Die Rezensentin geht auf den Pianisten des Abends besonders ein: „Melnikov agierte mal versunken, getragen durch die Streicherbegleitung in seinem Rücken, mal hoch konzentriert im Dialog mit den solistisch agierenden Holzbläsern, übrigens zwei Klarinetten anstelle Oboen. Auch das Instrumentarium in Mayers Symphonie Nr. 3, besonders im „Finale militaire“, ist bezeichnend: Piccoloflöte, Triangel, große Trommel, Becken und Blechbläser mit Ventilen verweisen eindeutig auf ihren Berliner Lehrer Wilhelm Wieprecht, dem Reformer der deutschen Militärmusik“.
Die Rezensentin der TAZ, Katharina Granzin, titelt am 11.11.25 „Hochwirksam gegen den Novemberblues“ und betrachtet alle drei Konzerte. Sie führt die widrigen Umstände komponierender Frauen im 19. Jahrhundert aus. Die lange vergessene Begräbnisstelle der Musikerin (die 2021 erst wiederentdeckt wurde auf dem Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof) „liegt nur 10 Meter entfernt von den Gebeinen ihrer berühmteren ZeitgenossInnen Felix Mendelssohn-Bartholdy und Fanny Hensel“, dabei war Emilie Mayer zu ihren Lebzeiten viel bekannter, als Fanny Hensel es jemals war.
„Im Zuge ihrer allmählichen Wiederentdeckung wurde in den letzten Jahren immer wieder einmal das eine oder andere Orchesterstück gespielt, auch ein paar Aufnahmen gibt es. Doch einen echten Meilenstein in der Mayer-Rezeption setzte die Akademie für Alte Musik Berlin mit ihrem Konzertzyklus „Ein Festival für Emilie Mayer“ im Pierre-Boulez-Saal. An drei ausverkauften Abenden spielte das Ensemble sämtliche erhaltene Orchesterwerke Mayers und führte eindrucksvoll vor, wie sehr zu Unrecht diese erste deutsche Symphonikerin in Vergessenheit geraten war.“
Die TAZ geht auch auf ein weiteres Talent der Komponistin ein, das Skulpturieren aus Brotteig, für das sie zu Lebzeiten auch viel Anerkennung fand: „Übrigens hatte die Komponistin ein weiteres herausragendes Talent. Doch sind ihre Werke auf dem Gebiet der bildenden Kunst nicht erhalten, was unter anderem an dem Material liegt: Sie hatte eine eigene Technik entwickelt, Skulpturen aus Weißbrot zu formen, nahm damit an Kunstausstellungen teil und setzte ihre Brotkunst auch erfolgreich für ihre musikalischen Ambitionen ein. Eine besonders opulente Weißbrotskulptur in Form einer prachtvollen Schale ließ sie an die preußische Königin schicken. Daraufhin bekam sie sowohl eine königliche Goldmedaille verliehen als auch die Erlaubnis, das Schauspielhaus mietfrei für ihr nächstes Konzert zu nutzen.“
Insgesamt sind die Kritiken allesamt positiv, anerkennend bis euphorisch. Ein Wermutstropfen ist die Abstinenz der überregionalen Zeitungen, da das Mayer Festival m.E. durchaus die Wahrnehmung außerhalb Berlins verdient hätte.
Reinhard Gagel
November 2025
Unsere Mayerei wurde im Kulturportal Ioco besprochen. Ekkehard Ochs für Ioco
https://www.ioco.de/friedland-mecklenburg-vorpommern-konzertreihe-komponistin-emilie-mayer-1812-1883-ioco/
Hier ist der Text:
„Wieder finden – neu entdecken“
Komponistin Emilie Mayer (1812-1883) in und um Friedland (MV) geehrt
„Die Welt hat sich auf den Kopf gestellt! Unsere Componistenjünglinge ergehen sich in lyrischen Ergüssen, singen von Lenz und Liebe, während die Frauen sich sechzehnzeiliges Partiturpapier zurechtlegen und darauf ihre musikalischen Betrachtungen über gewaltige und erhabene Gegenstände anstellen. Eine von diesen recht resoluten und unternehmenden Damen ist Emilie Mayer.“
So war es im Musikalischen Wochenblatt vom 18. August 1881 zu lesen. Diese lobenden Zeilen, denen sich viele weitere sowohl positiv wie kritisch ausfallende hinzufügen ließen, bezogen sich auf eine Komponistin, die seinerzeit als Ausnahmeerscheinung galt und in der Beurteilung ihres Schaffens die von Männern dominierte Musikwelt vor nicht geringe Akzeptanzprobleme stellte. Ging es an, das Bild eines lediglich in Kleinformen wie Lied, Klavierstück oder Kammermusik denkbaren Frauen-Komponierens auf jene Weise zu erweitern, wie es besagte Emilie Mayer nun geradezu umstürzlerisch nahelegte? Und wie verhielt man sich gegenüber einer als resolut geschilderten, unverheirateten Frau, geboren 1812 in Friedland (Mecklenburg) und gestorben 1883 in Berlin, die als Schülerin von Carl Loewe (Stettin) und Adolf Bernhard Marx (Berlin) die Fachwelt mit Konzertouvertüren, Sinfonien, Instrumentalsonaten, Klaviertrios, Streich- und Klavierquartetten, Streichquintetten, Klavier- und Vokalmusik in nicht geringes Staunen versetzte? Denn man hatte es – von manchem erst einmal ungern zugegeben – mit Kompositionen zu tun, die weit jenseits bemühter Liebhaberei anzusiedeln waren und Vergleiche mit berühmten Zeitgenossen nicht zu scheuen brauchten. Auch wenn die Qualifizierung als „weiblicher Beethoven“ dann doch etwas zu hoch greift. Es waren vor allem ihre Berliner Jahre, in denen sich Emilie Mayer zwischen 1847 und 1862 sowie zwischen 1876 und 1883 mit zahlreichen (selbst organisierten!) Aufführungen einen Namen machte, auch wenn nur wenige ihrer Werke im Druck erschienen. Wahrscheinlich einer der Gründe für das nach ihrem Tod einsetzende Vergessen, das auch gelegentliche Lexika-Informationen nicht aufzuhalten vermochten.
Inzwischen sieht das Bild deutlich anders aus, wozu diverse Initiativen der Frauenforschung, der Musikwissenschaft, der Tagespresse und Fachzeitschriften sowie einer sich zumindest partiell aufgeschlossen zeigenden Musikpraxis nicht wenig beigetragen haben. Will heißen: Es gibt mittlerweile gut greifbare Fachliteratur, einige Druckausgaben, diverse CD-Einspielungen von Sinfonik und Kammermusik und nicht zuletzt eine zwar immer noch bescheidene, aber zunehmende Anzahl von Konzertaufführungen. Dahingehend darf sich Mecklenburg-Vorpommern eine naheliegende Vorreiterrolle zuschreiben lassen. Im Jahr 2012 – 200. Geburtstag Emilie Mayers – hatten sich die Festspiele MV in mehreren Konzerten um das Werk der Jubilarin verdient gemacht. Verdienstvoll auch die Neubrandenburger Philharmonie, die seinerzeit und später mit ihrem damaligen Dirigenten Stefan Malzew einen sehr engagierten „Ausgräber“ sinfonischer Werke der Komponistin besaß (4. und 6. Sinfonie, Klavierkonzert). Im Gedächtnis bleibt auch eine Konzerttournee des Cornelis-Quartetts, das 2017 in Sternberg, Schwerin, Swantow und Greifswald Quartette Emilie Mayers musizierte. Die Liste ließe sich verlängern!
Sie legt auch einen Gedanken nahe, der dann Ende 2022 realisiert wurde: die Gründung einer Emilie Mayer-Gesellschaft in Friedland. Ihr Ziel: „...Emilie Mayer und ihr Werk bekannter zu machen. Wir wollen ihre Wiederentdeckung und eine aktive, intermediale und kritische Auseinandersetzung mit ihr und ihren Kompositionen fördern und pflegen.“ Und etwas weiter gefasst: Bewahrung und Förderung klassischer und zeitgenössischer Musik, Kunst und Literatur. Alles das natürlich ehrenamtlich, was Wirkungsmöglichkeiten begrenzt, für leidenschaftliches Engagement in der Sache aber jede Menge Raum lässt. Hier in Form einer ersten „Mayerei“, einem Musikfest, das nach einer entsprechenden (Vor-)Veranstaltung in der Vertretung des Landes MV beim Bund in Berlin (7. September) zwischen dem 8. und 10. September 2023 mit drei Veranstaltungen in Friedland, Salow und Eichhorst gebündelt auf die Komponistin aufmerksam machte. Dies in traditioneller wie offener Darbietungsform, was die Präsentation zweier Streichquartette (G-Dur, F-Dur) mit dem Amai-Quartett sowie ein Diverses enthaltende Wandelkonzert (als Kunst-Performance und Improvisation) und ein „Philharmonisches Frühstück“ mit Musik und Gesprächen enthielt. Programmfolge und -art entsprachen einem Konzept, das bewusst verschiedene Präsentationsmuster anbot und diese Tendenz nun im neuesten Angebot, der „Mayerei 2025“, ausbaute. Sie fand vom 23. bis 25. Mai dieses Jahres statt und umfasste 5 Konzerte in Friedland, Leetz, Roga, Salow und Eichhorst. Das Motto lautete: „Wiederfinden – neu entdecken“ und wurde von der Emilie Mayer-Gesellschaft in Kooperation mit der Neubrandenburger Philharmonie veranstaltet. Dem quantitativen Ausbau entsprach die Erweiterung des Angebots ebenso, wie die Intensivierung eines Performance-Gedankens der Einbeziehung von Räumlichkeiten, die ein ländlich geprägtes Ambiente substantiell, also bezogen auf die beabsichtigte musikalische Darbietungsform mit einkalkulierten (Kunstraum Pleetz, Kirche Roga, Speicher Salow, Pasterhof Eichhorst. Im Einzelfall bedeutete das eine besonders enge Kommunikationsmöglichkeit zwischen Ausführenden und Hörerschaft, was schon angesichts unorthodoxer Interpretations-angebote nicht unwichtig war. Das betraf etwa die von Marei Seuthe (Violoncello, Gesang, Säge) und Reinhard Gagel (Klavier, Moog Synthesizer) als FOLIAFOLIE DUO präsentierte Konzert-Performance „Zapping Emilie“ rund um deren h-Moll-Cellosonate samt einigen Klavierliedern in Pleetz. Sie begann nicht nur bereits im Garten des Ateliers mit dem Verbrennen von Noten – Synonym für das Veranstaltungsmotto „Verbrennen, Verloren und Vergessen“ - sondern setzte sich im Raumesinneren mit einer die Sonate in Einzelsätze zerlegenden, sie jeweils durch elektronische Geräuscheinspielungen, Einbezug einer Singenden Säge, verfremdet wie original gesungenen Liedern (auch mal von Schubert) und verbal analysierenden Wortbeiträgen (Besonderheiten im Finale der Sonate) unterbrechend, fort. Da war dann der Hörer doch auf ungewohnte Art gefordert. Nicht die Sonate stand im Vordergrund – auch irgendwie schade – eher der Versuch, sie als Ausgangspunkt weitergehender Überlegungen und Interpretationen zu nutzen, ihr im „Zappen“ zwischen den diversen Stücken beziehungsweise Sätzen improvisatorisch etwas Neues abzugewinnen. Rezensent gesteht, auf der Suche nach Sinnhaftigkeit des Ganzen nicht wirklich erfolgreich gewesen zu sein, stellt aber generell die Möglichkeiten variablen Umgangs mit Traditionen nicht infrage.
Schon gar nicht bei einem weiteren Konzert, bei dem das AXIS DUO in der gotischen Dorfkirche zu Roga Emilie Mayers Sonate für Klavier und Violine D-Dur musizierte. Auch hier der Versuch einer Wirkungsveränderung oder Wirkungserweiterung, die Suche nach einer höheren Sphäre der musikalischen Wahrnehmung. Das betraf weniger die Freiheit, das dafür bestens geeignete Stück auf der Querflöte zu spielen. Eher schon das Verfahren, dem Veranstaltungsthema „Räume um Emilie“ durch stimmungsvolle, meist verhaltene Improvisationen (Flügel) zwischen den Sätzen – auch mit „fremdem“ Material anderer Komponistinnen – und athmosphärischen Klängen eines großen Gongs eine zusätzliche klangliche und damit auch mental erweiterte Dimension zu geben; eine Klangraumerweiterung als intuitiven „Raum der Begegnung“ inbegriffen. Das alles passte bestens in den historischen Kirchenbau, denn auch Beata Seemann (Hammerflügel) und Klaus Holsten (Traversflöte) musizierten auf Nachbauten historischer Instrumente um 1780.
Bleiben zwei traditionelle Konzerte. Da gab es im Speicher Salow einen Quartettabend, der in der Zusammenführung von Fanny Hensels Es-Dur-Quartett und Emilie Mayers durchaus Meisterstatus besitzenden g-Moll-Quartett op. 14 auch über das rein Musikalische weit hinausführende Überlegungen auszulösen vermochte. Grundlage dafür waren natürlich die Werke selbst, im Besonderen aber eine Aufführung, mit der sich das EMILIEN QUARTETT (Neubrandenburger Philharmonie) rechtens heftigen Beifall verdiente. Wo, wenn nicht bei weniger bekannten Werken, fällt die sichtlich leidenschaftliche, um direkte, emphatische „Mitteilung“ bemühte Präsentation so sehr ins Gewicht! Eine starke Vorstellung. Schon verwunderlich, diesen Werken nicht öfter im Repertoire zu begegnen.
Das betrifft durchaus auch Mayers Sinfonik. Die 4., 5. und 6. Sinfonie liegen auf CD-Einspielungen vor, Beweise also genug für weithin noch unbekannte Qualitäten. Mit der 7. Sinfonie in f-Moll – beziehungsreich mit Mendelssohn („Sommernachtstraum“ op. 21 und op. 61) und der polnischen Komponistin Grazyna Bacewicz (Konzert für Streichorchester) gekoppelt – hatte die Neubrandenburger Philharmonie bereits im fulminanten Eröffnungskonzert der „Mayerei“ (Volkshaus Friedland) ein vielversprechendes Fenster auf das Schaffen Emilie Mayers aufgestoßen. Bleiben wir im Bild: mit überaus lohnenden Ausblicken! Ein wiederum erstaunliches Werk, das Dirigentin Romely Pfund und ihr Orchester mit begeisternder Verve einem nicht minder begeisterten Publikum servierte. 34 Minuten eines sinfonischen Geschehens, das alle Merkmale nicht nur handwerklicher Professionalität trägt. Das einer solchen traditionsreichen, ja geschichtsträchtigen Gattung mit tragfähigen thematischen Einfällen und ihrer stets spannenden, sich nicht in Beliebigkeit erschöpfender, inspirierter Verarbeitung zu genügen weiß, und überdies mit einer alle Sätze prägenden und bis zum Finale expressiv untersetzten Stringenz hinreißenden Musizierens überzeugen kann. Der Abend dürfte insgesamt, sicher aber besonders unter dem Aspekt einer Emilie Mayer, nachgeklungen haben.
Dafür war dann der Ausklang der drei Tage bewusst entspannt gehalten. Eine lockere Gesprächsrunde mit Musik, Lesung und manchem Wort seitens der Interpreten und des Veranstalters im Pasterhof Eichhorst. Nochmals Gelegenheit, die so abwechslungsreichen Tage an sich vorüberziehen zu lassen, sich ergebende Fragen zumindest im Ansatz zu erörtern und vielleicht auch Pläne für Kommendes zu schmieden. Zwei Jahre wird es wohl wieder dauern, ehe eine dritte „Mayerei“ angeboten werden kann. Der Veranstalter wird sich einen Kopf machen müssen, wie es weitergehen kann, mit welchen Absichten und möglichen Zielen zu planen ist, ob es ein längerfristiges Konzept geben müsse und wie der Wirkungs- und Aktionsradius des Unternehmens „Mayerei“ erweitert werden könne, ohne die sympathische Kombination von Häuslichkeit und Öffentlichkeit aufzugeben. Dass dabei die in Vorliegendem nur pauschal angesprochenen künstlerischen Parameter des Professionellen beizubehalten seien, bedürfte kaum besonderer Erwähnung.
Fazit: Anregende drei Tage mit beträchtlichem Potential an Erkenntnisgewinn und Nachhaltigkeit.
Neueinspielung Ouvertüren und Klavierkonzert
Die Kölner Akademie hat eine CD mit Werken von Emilie Mayer eingespielt. Eine Kritik von Marcus Schwering finden Sie unter dem Link zum Kölner Stadtanzeiger.